Samstag, 10. Dezember 2016

Zurück aus der Zukunft - Eine Lautsprecher-Entdeckungsreise



Von den späten 1980er Jahren bis in die tief in die 90er habe ich mich, in der guten alten Hifi-Blütezeit, sehr aktiv betätigt. Ich habe Hifi-Anlagen zusammengestellt, Lautsprechersysteme für spezielle Raumbedürfnisse gebaut und vieles andere mehr. Dann wurde es ruhiger in der Szene und Design- sowie Lifestyle-Anlagen à la Bose oder B&O eroberten den Hifi-Sektor. Vom Yuppie bis zum Malocher, jeder wollte nur noch Designer Schnick-Schnack und die hochwertigen  "old school" Produkte wurden fast bedeutungslos - Bis zu ihrer heutigen Auferstehung.

Seit zwei Jahren habe ich jetzt erneut begonnen kontinuierlich meine High-End Anlage wieder aufzubauen. Nun da ich meine (ältere 1500er) T&A R Serie zusammen habe, ging es an die Lautsprecher - da traf es sich besonders gut das ein guter Arbeitskollege nun auch kurz vor der Fertigstellung seiner T&A Traumanlage stand....und ihm ebenfalls die Lautsprecher fehlten. Also begaben wir uns zusammen auf die Suche...

Ich war höllisch gespannt wohin sich die Lautsprechertechnik wohl entwickelt hatte, da ich durch Arbeit, Kinder und Selbstständigkeit einen mindestens 10 jährigen Hifi Schneewittchen-Schlaf hinter mir hatte. Fluxx meine Canton bei Ebay verkauft, ein wenig Rest-Kohle zusammengekratzt und los ging es. Mein Budget von 600 Euronen konnte nur für gute gebrauchte taugen, während mein Kollege sein Limit bei 2000 Euro ansetzte.

Ich wurde seltsamer Weise recht schnell fündig, da mein bester Kumpel seine T&A TB 140 für ein Paar sündhaft teure TCD 315 S auf´s Abstellgleis schob. Das war mein Glücksmoment, denn als ich die TB 140 bei mir testete bin ich fast weggeflogen! Abgrundtiefe Bässe (durch die Transmission Line), eine gute Auflösung, klare Stimmen und feinzeichnende Höhen. Meine Soulmates CD von Mandoki hatte noch nie so gut geklungen und selbst die relativ schwache Tonqualität der Depeche Mode 101 CD machte klanglich einen hörbaren Schritt nach vorn, ebenso wie sämtliche Schätzchen meiner MP 3 und Plattensammlung. Und selbst Kickbässe à la Sonic Empire lieferten die TB 140 dank zusätzlichem Bassreflexsystem staubtrocken. Also schlug ich zu, denn für so ein Minibudget bekomme ich anderswo in keinem Fall auch nur annähernd so gute Lautsprecher. Fazit: Für mich der perfekte Lautsprecher. Da es sich allerdings um eine ältere gebrauchte Box handelt, läuft diese außerhalb der Konkurrenz und wird im weiteren Test nicht bewertet.
                                                         Bilder: T&A TB 140

Aber was war mit meinem Arbeitskollegen? Wir besuchten also einige Highend Studios und hörten uns eine Unzahl von aktuellen Lautsprechern an - Erwähnt wird hier aus Zeitgründen allerdings nur jene kleine Auswahl an Boxen welche auch bewertet wurden, alles andere würde den Rahmen des Artikels sprengen.

Erster Kandidat war die Dynaudio Focus 260 für den Angebotspreis von 999 Euro das Stück. Befeuert wurden die schönen Dänen von einer sauteuren Cambridge Audio Combi. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd - Kaum Bässe und das bei der traumhaft remasterten Peter Gabriel CD "SO", da fehlte definitiv beim Sledge der Hammer!!! Auflösung, Mitten und Höhen sowie die Verarbeitung der Dänen waren allerdings super. Fazit: Von einer fast einen Meter hohen Standbox haben wir mehr erwartet als nur filigranes - Vor allem bei dem Preis!
Wertung: Platz 5

Hier noch die Daten:

- 2 1/2-Wege-System Standlautsprecher
- Musikleistung 250 Watt
- Frequenzbereich (+/- 3 dB): 32Hz-25kHz
- Empfindlichkeit: 87dB
- Impedanz: 4Ohm
- Gewicht: 19,1 kg
- Abmessungen (B x H x T): 202 x 992 x 294 mm
                                             Bild: Dynaudio Focus 260

Der nächste Hörtest....die Piega Classic 5.0 für 1000 Euro das Stück. Die Piega ist eine schöne 2 1/2 Weg Box mit einem Bändchen Hochton und zwei Tief- Mitteltönern. Ein Hauch von Tiefton durchströmte diesmal beim Spielen der "SO" durch den Hörraum, allerdings fehlte es nun an den Mitten. Mein Arbeitskollege schaute mich irgendwie fragend an und ich wusste genau was er meinte....War das noch die rauchige Stimme von Peter Gabriel?! Eindeutig ein nein!!! Es fehlten definitiv Mitteltonanteile - Wie auch beim späteren spielen von "The very best of Dire Straits" deutlich zu Tage trat. Verarbeitung und Optik waren bei der Schweizerin allerdings sehr gut. Fazit: Auch ein Bändchenhochtöner und eine richtig gute Verarbeitung retten keine schlecht abgestimmte Box. Wertung: Platz 6

Technische Daten:

- 2 1/2-Wege-System Standlautsprecher
- Empfohlene Verstärkerleistung: 20 - 150 Watt
- Empfindlichkeit: 91 db/W/m
- Impedanz: 4 Ohm
- Frequenzgang: 36 Hz - 40 kHz
- 2 x 130 mm MDS
- 1 x AMT-1 Hochtöner
- Anschluss: Bi-Wiring / Multi-Connectors
 - Abmessungen (B x H x T): 180 x 930 x 280
                                                     Bild: Piega Classic 5.0

Eine angenehme Überraschung erlebten wir beim "spasshören" mit einer Klipsch Premiere RP 280F. Hier hatte Sladge den Hammer dabei! Die Amerikanerin ging extrem kräftig zu Werke. Wahnsinnig dynamische Bässe und das diese noch relativ kontrolliert spielten verwunderte uns umso mehr. Auch der Preis von 475 Euro pro Stück ist, trotz der einfachen Verarbeitung, ein richtiger Schnapp! Allerdings sind die etwas vorlauten Höhen (aus dem fetten Hochton Horn) mit der Zeit bestimmt nervig. In diesem Moment allerdings waren die Klipsch eine wohltuende Abwechslung zu den beiden saftlosen Vorgängern. Fazit: Auch wenn die wuchtige Optik und der reichliche Hochtonanteil etwas gewöhnungsbedürftig sind, kann man bestimmt für viel mehr Geld wesentlich schlechtere Boxen kaufen. Tolle Party-Box, aber für uns ein Hauch zu aufdringlich. Platz 4 - Preis/ Leistungs-Tipp - Kaufempfehlung

Daten:

- MDF-Gehäuse mit gebürstetem polymer Furnier
- neue Tractrix® Horn-Technologie (90°x90°)
- Starker, flexibler, abnehmbarer Grill
- Dual Anschluss-Port / bi-wire, bi-amp
- Wirkungsgrad 98 dB
- Power Handling bis 600W (Spitze)
- Gewicht 28 Kg
- Abmessungen (B x H x T): 268 x 1094 x 465
                                               Bild: Klipsch Premiere RP 280F

Ebenfalls positiv hervorzuheben ist ein Lautsprecher der vor allem mir sehr gefallen hat. Die Magnat Quantum 1005 brachte bei Sledgehammer ein ordentliches Bassfundamet in den Hörraum. Und auch die Stimmen von Peter Gabriel und Kate Bush (bei "Don`t give up") waren gänsehautverdächtig. Hier ist Magnat für einen fairen Sonderangebots-Preis von 750 Euro das Stück ein echt ausgewogener und kraftvoller Lautsprecher gelungen. Auch bei der Verarbeitung braucht sich die Deutsche in ihrem fein polierten Hochglanzgewand nicht hinter Dynaudio und Co zu verstecken. Fazit: Ein Geheimtipp wo man ihn eigentlich nicht erwartet - im Mainstream! Tolle und schöne, vollkommen erwachsene Box sowie einer meiner zwei Favoriten im Testmarathon. Wertung: Platz 2 - Persönlicher Liebling und "Geheimtipp"
Daten:


-Prinzip 
2 Wege, Doppelbass, Bassreflex
-Impedanz 
4-8 Ohm
-Bestückung 
2x 170 mm Tief-Mitteltöner, 25 mm Hochtonkalotte
-Belastbarkeit RMS / max. 
200 / 350 Watt
-Abmessungen (BxHxT) 
240 x 1100 x 330 mm



 - Wirkungsgrad 92 dB
 - Gewicht 35 Kg
                                                      Bild: Magnat Quantum 1005

Mein Arbeitskollege testete unter anderen Schallwandlern noch die Dali Opticon 6, welche zuerst detailreich und klar (für ihn sogar etwas zu klar) aufspielten, allerdings bei ihm Zuhause an seiner T&A Kette durchfielen. Nach einem Blick auf das Datenblatt war klar warum....die untere Grenzfrequenz war mit 49 Hz nicht in der Lage ausreichend Tiefbass zu erzeugen. Vor allem bei Synti Bässen wie von Jarre und Vangelis echt störend. Trotzdem ist die Opticon 6 bei richtiger Musikwahl eine ziemlich gute Box für ca. 850 Euronen das Stück. Platz 3 - Feingeist
                                                                 Bild:  Dali Opticon 6

Bevor wir nun zum absoluten Spitzenreiter kommen.....ein kurzes Zwischen-Fazit. Es waren im Hörtest überproportional viele Lautsprecher ziemlich "dünn" und detailverliebt unterwegs...auf Dauer einfach zu nervig. Die Richtung der aktuellen Dynaudio, Elac, Kef, B&W, Canton, Sonus Faber uva. Produktionsreihen konnten unsere Herzen einfach nicht erwärmen - Diagnose: "Kein Arsch in der Hose" so scheint eben die Tendenz neuerer Lautsprecher im Preissegment bis 2000 Euro zu sein....mit einer ECHTEN Ausnahmeerscheinung allerdings!

So kommen wir nun zur vollkommen begründeten Kaufentscheidung meines Arbeitskollegen....:

Im Hörraum wurde eine relativ normale Atoll Kette (Vollverstärker + CD zusammen  ca. 2500 Euro) installiert. Rechts und links standen Lautsprecher die dem ersten Eindruck nach aus den guten alten Achtzigern stammen könnten. Einen Meter hoch, in Holzfarben in einer klassischen 3 Wege Anordnung. Bestückung: Ein 20 cm Tieftöner, ein 13 cm Mitteltöner und eine Gewebe Hochtonkarlotte. Unten herum schloss ein normales Bassreflexrohr die Retrooptik ab. Aber was dann kam war die perfekte Symbiose aus Retro Kraftprotz und filigranem Neuzeit-Stil - Gewissermaßen ein Sound zurück aus der Zukunft. Blitzsaubere Höhen, klare und detailreiche Mitten (und das auch noch unaufdringlich) sowie fundamentaler Bass genau da wo er angebracht war. So stellt sich ein Kind aus den 80ern die Weiterentwicklung von Lautsprechern bis heute vor. Diese Box vereint das beste von früher bis heute, eine Box die vor Musikalität nur so strotzt ohne zu nerven. Es machte einfach nur Spaß dieser "Männerbox" aus Estland zuzuhören - der Audes Maestro 146 für einen Preis von 2000 - 2400 Euro das Paar (ergo 1000 bis 1200 pro Stück)! Fazit und Wertung: Wirklicher Geheimtipp und Testsieger, bei (für die heutige Zeit) gewöhnungsbedürftiger Optik aber toller Verarbeitung. Platz 1 - Testsieger - Klare Kaufempfehlung!


Impedanz
4 Ω

Nennbelastbarkeit
130 W

Musikbelastbarkeit
200 W

Frequenzbereich (±3 dB)
39 - 20000 Hz

Übergangsfrequenz
250/4000 Hz

Wirkungsgrad (2,83 V/1 m)
91 dB


Lautsprecher:

8" cone Tieftöner

5¼" cone Mitteltöner

1" soft dome Hochtöner

Abmessungen ca. (mm)
1000 H x 248 B x 295 T

Base ca. (mm)
310 B x 330 T

Gewicht
20 kg



                  Bild: Audes Maestro 146


Vor Weihnachten also mal etwas anderes. Ein weiteres Hobby von mir, welches dem einen oder anderen bei der Auswahl von Lautsprechern behilflich sein könnte.

Meinen speziellen Dank an folgende Studios, denen wir mit unserem Ansinnen ziemlich auf den Sack gefallen sind *grins*.....:HIFI Schluderbacher in Willich, RAE Akustik GmbH Dortmund und Auditorium in Hamm. Auch danke an meinen Arbeitskollegen, ohne den ich sicherlich nicht so in diese Sache eingestiegen wäre. Herzlichen Dank auch an meinen Hifi-Verrückten Nachbarn, der meine Musik-Exzesse ebenso locker hinnimmt wie ich Seine! Ganz besonders danke ich meinem besten Freund dem ich (nach und nach) einige Sahnegerätchen abkaufen konnte!!!!




Liebe Grüße

Euer Micha




2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bin zufällig über diesen Vergleichstest gestolpert und meiner Meinung nach bleibt die richtige Lautsprecherwahl wie immer sehr subjektiv. Ich habe nur drei der hier aufgeführten Lautsprecher gehört und stimme mit der hier gebenen Wertung nun so gar nicht überein. Immer selbst hören und sich nicht von solchen Tests beeinflussen lassen.

buergerrechtler hat gesagt…

Musik und Klang sind immer Geschmackssache! Hier spielt die verwendete Elektronik genau so rein wie die Aufstellung der Lautsprecher oder die Akustik des Raumes. Trotzdem kann man eine Grundtendenz nicht überhören.
Aktuell sind viele Lautsprecher auf Auflösung getrimmt, was im Verbund mit einer zurückhaltenden Kette für mich wie ein Transistorradio klingt. "Dünne" Lautsprecher und "dünne" Elektronik passen einfach nicht zusammen, genau wie zwei zu "fette" Komponenten einfach nur dröhnen. Da es zur Zeit allerdings auffällig viele "dünne" gibt, sind wir Kinder der 80er und 90er immer etwas enttäuscht. Wir sind nämlich ehrlich und lassen uns nicht von Heilsversprechen der Hersteller blenden. Ein absolut linearer Frequenzgang ist nur die halbe Miete und reißt noch nicht vom Hocker, das ist nämlich dem menschlichen Gehör geschuldet, welches unterschiedliche Frequenzen auch unterschiedlich empfindlich wahrnimmt. Genau deshalb weil das Gehör nicht linear arbeitet und die meisten Hersteller auf Teufel komm raus lineare Frequenzgänge erzeugen wollen, hört sich vieles moderne ein wenig mau an.
Und weil das so ist sage ich auch laut und gerne, wenn der Kaiser nichts an hat!

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