Ich hatte mich langsam an die Ice Power Blöcke gewöhnt, klanglich so ziemlich das beste was ich bis heute in meiner Kette laufen hatte (meinen T+A A1500 natürlich ausgenommen). Allerdings war die Verarbeitung der Kaltgerätebuchsen mehr als grenzwertig, denn beim Abziehen der Stecker kamen einem die Buchsen aus dem Gehäuse entgegen - nicht ungefährlich, da die Netzschalter auch dort angebracht waren, muß man zwangsläufig immer hinter das Gerät an diese gefährlichen Buchsen greifen. Gehört werden mussten die Ice Monos über den XLR Eingang, da via Cinch ein Brummen zu vernehmen war, was auf eine schlechte Masseführung hindeutet. Alles Dinge die zu beheben sind, aber in der Summe, vor allem das Einschalten hinten, machte mich irgendwie nicht glücklich. Aber trotzdem wunderschöne Geräte, welche ich Euch nicht vorenthalten möchte.
Nun zurück zu meinem abgeschossenen Naim 250, dessen Teile nun endlich da waren. Nach dem alle Teile nun eingebaut waren und der Ruhestrom perfekt eingestellt war, begab ich mich noch an die Spannungseinstellung meiner Naim Kopie. Der Original Olive von Naim arbeitet mit etwa +-50 V mein Naim Verschnitt kam mit +-36 Volt an, was natürlich die reale Leistung des Verstärkers auf 60 Watt pro Kanal schmälert und somit nicht den Herstellerangaben entspricht. Da der Naim NAP 250 Clone (genau wie sein Original) über ein hochwertiges geregeltes Netzteil verfügt (sowas ist äußerst selten in der Hifi Welt) konnte ich die Spannung auf 45 V erhöhen, um somit auf etwa 78 Watt pro Kanal an 8 Ohm zu kommen, für die Original Sanken Netzteil Transistoren ein klacks, ebenso für die Onsemi MJ21196 Transis der Endstufe, die in der Standard konfig mit +-50V laufen. Gemessen wurde mit einem Sinus von 1 khz und einem 8 Ohm Leistungswiderstand je Lautsprecherausgang. (8,95 Euro bei Reichelt) Die Einstellung der Spannung erfolgt an den 4 blauen Wendelpotis, die ohne Pfeil. Das im Internet beschriebene Schutzschaltungsproblem (zu schnelles Abschalten bei hoher Last) behob ich durch die korrekte Einstellung der Schutzschaltung (auf dem Foto rechts die 4 Potis mit Pfeilen auf den beiden Netzplatinen). Um eine bessere Wärmeableitung zu gewährleisten versorgte ich die Endstufentransistoren und den Übergang der Kühlbleche zueinander mit Wärmeleitpaste. Es war also vollbracht...jetzt musste er nur noch funktionieren...und das nach Möglichkeit gut.
Da stand er nun in meiner Kette und der erste Höreindruck (als Hochmitteltonverstärker) war echt okay. Endlich hatte er Tiefe und Raum, nichts war mehr übrig von seiner vorherigen Zweidimensionalität, er spielte etwa auf dem Niveau der Ice Power und brauchte ebenfalls kein Poti wegen der Lautstärkeanpassung zur T+A Endstufe. Es war so als hätten die Beiden schon immer zusammen gespielt. Zuerst lies ich ihn die LP "The best of the Pogues" spielen, was der Naim Verschnitt auch mit bravour hin bekam, es war eine Reise mitten in einen Irish Pub, in dem Shane MacGowan wieder zum Leben erweckt wurde! Dann zog ich die Zügel mit Mike Oldfields Tubular Bells an und auch hier lies sich der Naim Nachbau nicht die Butter vom Brot nehmen. Je länger er spielte desto mehr gewann dieses kleine Verstärkerchen und als er sich bei Chris Jones "No Sanctuary" mit dem T+A gewissermaßen verbrüderte und wie ein einzelner Verstärker agierte nur viel entspannter, da hatte der Kleine mein Herz gewonnen. Instrumente klingen jetzt körperlicher, genau wie Stimmen was am Nachschwingen durch den niedrigen Dämpfungsfaktor des Naim liegen könnte. Hohe Dämpfungsfaktoren mögen wichtig für große bewegte Massen sein (Tieftöner), insbesondere um "grollen" zu verhindern, aber besonders im Hoch- Mitteltonbereich wird dieser Wert überschätzt, da hier keine großen Membranen gebremst werden müssen, fast ungebremstes Ausschwingen kann hier also die Musik natürlicher klingen lassen. Denn auch ein Stimmband oder eine Gitarrensaite schwingen im Original etwas nach. Außerdem rauscht der Naim Nachbau überhaupt nicht, es scheint fast als hätte man die falsche Quelle am Vorverstärker gewählt bevor das Musiksignal einsetzt - RESPEKT!
Das Fazit zum Naim Nap 250 Clone ist wohl wie folgt festzuhalten. Mit den richtigen Halbleitern und der richtigen Einstellung ist der China Naim verdammt nah am Original und wer sowas kann, sollte ruhig den Versuch wagen, denn er erhält einen top Verstärker zum Schleuderpreis. Der Neupreis des Clones liegt bei ca. 320-400 Euro plus Versand aus China, der schonmal locker über hundert Euro sein kann. Das Original von Naim geht selbst gebraucht in 4 stellige Dimensionen und ist nicht so zeitgemäß und edel von den Anschlüssen und vom Gehäuse her wie seine Kopie. Im Originalzustannd allerdings wird man wohl trotz der super Verarbeitung und des großen 400VA Ringkerntrafo etwas vom Clone enttäuscht sein.
Zum Schluß noch eine kleine und einfache Erklärung zum Ruhestrom. Dieser ist im besonderen für Röhrenverstärker höchst wichtig, aber auch bei herkömmlichen A/B Transistorverstärkern kann ein schlecht eingestellter Ruhestrom zu Problemen im Betrieb führen. Der Ruhestrom ist platt gesagt ein Strom der vor dem eigendlichen Eintreffen des Musiksignals die Endstufentransistoren/-röhren leicht öffnet und somit eine richtige Arbeitstemperatur und ein schnelleres Ansprechen auf das einsetzende Musiksignal ermöglicht. Ist der Ruhestrom zu hoch wird der Verstärker zu heiß, ist er zu niedrig gibt es Verzerrungen beim Nulldurchgang der Sinuswelle, der Verstärker klingt dann einfach ausgedrückt Scheiße ;o) Mathematische Formel ist das Ohmsche Gesetz (U=I*R) Bei meinem Naim Clone waren 0,5 Ohm Widerstände verbaut, (U:R=I 0,004/0,5=8mA) bei manchen Naim Kopien aber auch 0,22.(0,004/0,22=18mA) Aber keine Sorge selbst bei 20mA Ruhestrom läuft der Naim Clone wie ein Schnitzel und bleibt richtig cool. Klingt sogar etwas feiner im Hochton...hab ihn später auch bei mir auf 20 mA gestellt👍
Ich hoffe Euch einen kleinen Einblick verschafft zu haben in die Welt der Verstärker!
Liebe Grüße
Euer Micha