Montag, 7. Februar 2011

Ein(blick) nach Ägypten



Als alter Aushilfsägypter interessiert mich natürlich die Lage in Ägypten sehr, zumal ich bereits mein Jahresurlaub in diese Region gebucht habe. Da ich jahrelang nach Ägypten in Urlaub gefahren bin und noch fahre, mag es von mir scheinheilig anmuten Mubarak zu verurteilen und seinem Regime gleichzeitig mein Geld in den Rachen zu werfen, aber lest selbst: In Ägypten macht der Tourismus 11,3% des Bruttoinlandsprodukts aus und bestreitet fast ein Fünftel der Devisen-Einnahmen. Rund 2,5 Millionen Ägypter arbeiten direkt oder indirekt in der Reisebranche. Das sind rund elf Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Im Durchschnitt hat ein Haushalt fünf Personen. Das heißt, circa zwölf Millionen Menschen leben von der Reisebranche, vor allem ungelernte Kräfte, die sonst keine Chance auf dem ägyptischen Arbeitsmarkt haben, finden in der Touristikbranche reichlich Arbeit. Auch wenn sich die ägyptischen Clans und hohe Regierungsbeamte in korrupter Manier gegenseitig Gewinne zuspielen, (die Ägypter nennen diese Leute übrigens „Fette Katzen“) so hat der „kleine Mann“ in Ägypten relativ viel vom Tourismus. Es wäre also eine ethische Abwägungsfrage ob man dort hin fährt oder nicht. Auf der einen Seite wäre das Regime Mubarak nicht so lange ohne den Reiseverkehr an der Macht geblieben, aber wer einmal in das Gesicht eines Beduinenjungen (die meistens gar keine richtigen Nomaden mehr sind) gesehen hat, wenn man ihm eine 20 Pfund Note (ca. 2,80 €uro) in die Hand gedrückt hat, der wird verstehen warum Touristik für arme Leute dort so wichtig ist. Es geht hier nicht um Almosen, sondern darum den Leuten dort mit Respekt zu begegnen und gerade solchen Kindern die Aussicht auf einen zukünftigen Job zu ermöglichen, denn die Kellner, Köche, Annimatoren, Gärtner, Bootskapitäne, Putz- und Servicekräfte verdienen für ägyptische Verhältnisse nicht schlecht und können in einer Saison so viel verdienen das sie, sparsamen Umgang vorausgesetzt, für den Rest des Jahres auskommen können. Hätten also alle Urlauber aus politischen Gründen Ägypten als Urlaubsland ausgeschlossen, so hätten viele Menschen dort weder Geld noch Arbeit und Essen gehabt…..egal was man getan hätte….ein Boykott wäre keine Lösung gewesen, deshalb bin ich weiter nach Ägypten in Urlaub gefahren. Nun bleibt nur zu hoffen dass nach dem Umbruch der Ägyptentourismus vielleicht in bessere Hände gelangt und die Gewinne daraus mehr dem ägyptischen Volk dienen als bisher. Erst einmal wird wohl gerade die Touristikindustrie durch die Veränderungen leiden müssen, was mir für viele Ägypter die ich dort kennengelernt habe leid tut, aber es könnte auch ein neuer Aufbruch zu einer besseren und gerechteren ägyptischen Reiseindustrie sein. Genug nun vom Reisen…richtig gut ging es den Ägyptern eigentlich nie, die meisten Gewinne gingen immer an ausländische „Investoren“ oder an Regierungsbeamte die ihnen entsprechende Lizenzen und Genehmigungen ausstellten. Eigentlich dürfte es nicht so viele Analphabeten (ganze 50%), hungernde und arme Menschen in Ägypten geben, da das Land verhältnismäßig wohlhabend sein müsste, aber es ist wie überall auf der Welt. Auch Mubaraks Regime hatte nicht mehr genug Geld um selbst die Vorzeigeprojekte des Landes instand zu halten. Zum Beispiel werden die Energieerzeugungsanlagen am Assuan Staudamm seit langer Zeit nur noch mangelhaft gewartet was zu ständigen Stromausfällen im ganzen Lande führt. Der Grund dafür sind die Staatsschulden Ägyptens, immerhin 105% des BIP, die bedient werden müssen. Auch ein starker Schuldenerlass der als Belohnung für Ägyptens Haltung im Irakkrieg gewährt wurde half nicht viel. Es ist halt immer zu wenig Geld da, besonders für Bildung und soziales! So geht die kostenlose sehr schlechte staatliche Schule nur bis zum 12 Lebensjahr, eine vernünftige schulische Ausbildung nach europäischem Standard kostet in Ägypten immerhin 50.000 ägyptische Pfund und ist für einen normalen Ägypter kaum erschwinglich. So etwas wie einen Aufstand haben viele Ägypter kommen sehen, nur sprach man darüber angesichts der starken Polizeipräsenz im Lande immer sehr leise. Mich haben die Unruhen und der Protest allerdings sehr überrascht, ich kannte zwar die Unzufriedenheit der Ägypter, hätte aber nicht mit so viel offenem Mut gerechnet, da man doch sehr viel Respekt vor der schwer bewaffneten und harten Polizei im Lande hatte. Angesichts der offensichtlichen Wahlmanipulation nach der letzten Wahl im November muß die Frustration der meisten Ägypter so groß gewesen sein, das die Duldungshaltung in der Bevölkerung umgeschlagen ist. Sogar Teile der Regierungspartei fanden, dass es so nicht geht, 80 Prozent für Mubaraks Partei seien zutiefst unglaubwürdig. "Wir haben dann die Bilder aus Tunesien verfolgt", meinte ein einfacher Ägypter namens Husin. Dazu hieß es im ägyptischen Staats-Fernsehen: "Tunesien ist eben ein Land, in dem die Menschen ihre Meinung nicht frei sagen könnten, während es den Ägyptern sehr gut geht." Dann fügte Husin noch hinzu: "Für mich hat die Regierung die Stimmung im Land ziemlich falsch eingeschätzt!" Besser hätte es wohl kein Politanalyst sagen können! Auch Mubaraks Haltung im Irakkrieg und dem ägyptischen Erzfeind Israel gegenüber legte eine Saat des Zorns in der eigenen Bevölkerung, so kam es wie es kommen musste. Das eigene Volk richtete sich gegen seinen selbsternannten Dauerpräsidenten. Bereits am Dienstag den 25.01.11, bei den ersten Protesten auf dem Tahrir-Platz in Kairo, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen der Demonstranten mit der Polizei, die offensichtlich durch die Polizei provoziert wurden. Bis heute dauern die Zusammenstöße in denen es Tote und Verletzte zu beklagen gibt an.

Hier noch eine kleine Kostprobe, wie rücksichtslos die ägyptische Polizei friedliche Demonstranten überfährt:



Auch das Militär marschierte mit schwerem Gerät auf, verhielt sich aber im Gegensatz zur Polizei ruhig. Auch die USA wollen nun offenbar einen Machtwechsel in Ägypten. Während Präsident Husni Mubarak weiter an seinem Amt festhält, gibt es einigen Medienberichten zufolge bereits Verhandlungen hinter Mubaraks Rücken, in denen Obama über eine Regierungsübergangslösung unter Beteiligung des Militärs verhandelt - Deshalb und nur deshalb verhält sich Ägyptens Militär so vernünftig, es wird von Obama in Schach gehalten und möchte später auf der Seite des Siegers stehen. Ob der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation Mohammed el-Baradei, der sich als Oppositionsführer auch noch selbst ins Spiel gebracht hat, die richtige Wahl für Ägyptens Rettung darstellt ist wohl mehr als fraglich, da er im eigenen Land ehr als Amerika- und UNO Handlanger gilt.
Während all dieser Ereignisse begannen plötzlich Störungen bei den ägyptischen Kommunikationsdiensten von Telefon bis Internet, sodass zahlreiche Internetdienste sowie Handynetze nicht mehr verfügbar waren. Dann, am Donnerstag geschah es….Ägypten ist offline. Auf einen Schlag, so scheint es, wurde fast das ganze Land von der Außenwelt abgeklemmt. Die Abschaltung erfolgte am Donnerstagabend um 23.34 Uhr deutscher Zeit, berichtet das Internet-Beratungsunternehmen Renesys. Damit sind fast 85 Millionen Menschen vom Informationsaustausch mit dem Rest der Welt ausgeschlossen worden, ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Kommunikationszeitalters. Erste Kollateralschäden an Ägyptens Wirtschaft sind bereits jetzt zu erkennen, eine Ausnahme gab es jedoch. Denn ein einziger Internet-Provider war von den Sperrmaßnahmen der ägyptischen Regierung offenkundig ausgenommen worden: Noor Data Networks. Die Dienste dieses Anbieters, dessen Name im Ägyptischen das Wort für "Licht" ist, sind auch am Freitag noch zu hundert Prozent von der ganzen Welt aus erreichbar gewesen. Eine Lücke im Absperrgitter? Ein Missgeschick? Wohl kaum. Noor Data Networks ist der Provider, über den die ägyptische Börse mit dem Internet verbunden ist. Mubaraks Mannen haben Prioritäten gesetzt oder es ist ihnen so befohlen worden. Ob die Finanzelite nun hinter dem Aufstand steckt oder sich über ihn ärgert sei dahin gestellt, jedenfalls konnten sie Ihre Schäfchen an der ägyptischen Börse ins trockene bringen….welch ein Zufall! Ich behalte das auf jeden Fall im Auge.

Liebe Grüße

Euer Micha

Quellen:
Wie Ägypten aus dem Netz Verschwand - Spiegel
Ein Volk versucht den Aufstand - Die Zeit
Obama verhandelt mit Mubaraks militär - Taz
Ägyptens Reisebosse sind korrupte Eliten - Focus

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen