Sonntag, 17. August 2014

Der letzte Weltenerklärer ging von Bord...




Peter Scholl-Latour wurde 1924 als Sohn von Otto Scholl-Latour und seiner französischen Mutter (seltsam das seine Mutter nirgendwo namentlich Erwähnung findet) in Bochum geboren. Schon früh lernte er die Auswirkungen von Politik auf sein persönliches Leben kennen. Seine Mutter entging nur knapp der Verfolgung durch die Nazis und im Jahre 1940 musste er das Schweizer Jesuitenkolleg verlassen weil Geldüberweisungen in die Schweiz vom NS Regime verboten wurden. Peter Scholl-Latour beendete sein Abitur dann notgedrungen auf dem Wilhelmsgymnasium in Kassel. Noch während des 2. Weltkrieges versuchte Scholl-Latour sich gegen das NS Regime zu wenden, in dem er Freiwilliger in der französischen Armee werden wollte, dabei wurde er von der Gestapo verhaftet. Auch wenn er die Abgründe der Gestapo hierbei erfahren hat, so wollte er doch nie den Bonus eines Widerstandskämpfers haben, wie er sagte. Andere Möchtegern-Widerständler würden dieses Thema schon genug beanspruchen, so Scholl-Latour weiter.

Nach dem Krieg, während seines Studiums, arbeitete er als Reise-Journalist für deutsche und französische Zeitungen, bereits zu dieser Zeit bereiste Scholl-Latour Amerika, Afrika, den Vorderen Orient sowie große Teile Süd- Ost Asiens. Er studierte an der Uni Mainz und der Pariser Sorbonne Politikwissenschaften und Philologie. Später schloss er noch ein Studium in Arabistik und Islamkunde an der Beiruter Saint Joseph Universität an.

Mitte der 50er Jahre arbeitete Peter Scholl-Latour für die saarländische Regierung bevor er dann endgültig mit Haut und Haaren dem Journalismus verfiel. Afrika Korrespondent, Gründer des Pariser ARD Studios, Chefkorrespondent des ZDF, WDR Fernsehdirektor - die Liste seiner großen Posten in den deutschen öffentlich rechtlichen Medien war beeindruckend. Trotzdem ließ er sich nie festbinden. Er besuchte stets die Länder über die er berichtete! In allen Krisengebieten der Welt war er zu Hause, bis er sogar in Vietnam vom Vietkong entführt wurde.

Scholl-Latour bemühte sich immer beide Seiten der Konfliktparteien zu hören und konzentrierte sich stets auf eine analytische und sachliche Berichterstattung ohne hetzerische Untertöne. Sein Credo war es mit den Menschen Vorort zu reden um die großen Zusammenhänge verstehen zu können. Interne Begebenheiten und gewachsene Kulturen zu verstehen um dadurch die Gründe der globalen Krisen zu entschlüsseln, das war seine größte Stärke. Diese verständnisvolle Sicht auf die Welt und die Berichterstattung darüber prägten maßgeblich die differenzierte Meinung des Nachkriegs-Deutschlands über die Geschehnisse in der Welt.

Peter Scholl-Latour erwarb sich zurecht den "Titel" Weltenerklärer. Niemand in den Medien und in der Politik konnte und durfte seine Meinung ignorieren. Er war einfach ein Mann von Welt, ein Gentlemen mit deutschem und französischen Pass - Einer der sich vom Grenzgänger über den Weltenbummer bis hin zum heimlichen Vorbild aller Journalisten entwickelte. Die meisten Korrespondenten und Journalisten ziehen es bis heute vor, eingebettet aus der jeweiligen Regierungsstruktur zu berichten - sicher und luxuriös in 5 Sterne-Hotels ein gebucht - Scholl-Latour ging dahin wo es physisch weh tat Journalist zu sein. Er schlief in Zelten und Schlafsäcken mitten zwischen den jeweiligen Fronten und meinte einmal das seine militärischen Fähigkeiten ihm oft das Leben gerettet hätten. Er war eine moralische- und eine politische Medieninstanz der man sich einfach nicht entziehen konnte.

Nach seiner Medien-Karriere brillierte Scholl-Latour als Buchautor und war Gast in zahlreichen Talkshows. Seine vielen Sachbücher, in denen er historische Entwicklungsstränge mit seinen journalistischen Erlebnissen verknüpfte, brachten ihm auch unangebrachte Kritik und den Vorwurf der Vereinfachung ein - wahrscheinlich weil er sachlich kompetent, scheinbar verschiedene, unbequeme Fakten miteinander verband. Auch in besagten Talkshows überfuhr er verbal manchen "Dummschwätzer" mit sehr harten Argumenten und machte sich so nicht immer Freunde - Was nebenbei erwähnt auch nicht sein Ziel war! Er war unbequem doch stets korrekt und kompetent in seinen Aussagen. Scholl-Latour haderte mit zunehmenden Jahren auch mit den Massenmedien, welche sich seiner Ansicht nach zunehmend in Richtung Einheitsbrei verschlechterten - unvergessen blieb für mich auch deshalb sein folgender Ausspruch:

"Wenn Sie sich einmal anschauen, wie einseitig die hiesigen Medien, von TAZ bis Welt, über die Ereignisse in der Ukraine berichten, dann kann man wirklich von einer Desinformation im großen Stil berichten, flankiert von den technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, dann kann man nur feststellen, die Globalisierung hat in der Medienwelt zu einer betrüblichen Provinzialisierung geführt."

Peter Scholl-Latour war bis zuletzt privat politisch aktiv. Der unbedingte Wille das Geschehene selbst zu untersuchen - abseits der journalistisch ausgetretenen Pfade -  brachte Scholl-Latour noch im Jahre 2011 dazu den syrischen Präsidenten Assad zu besuchen. Nach einem Interview mit Assad sagte Scholl-Latour darüber, dass er sich zwar keinerlei neue Informationen über die Sachlage verschaffen konnte, allerdings habe er sich menschlich ein gutes Bild über den Zustand Baschar al-Assads machen können. So haben wir ihn kennen und schätzen gelernt - immer offen und neugierig, jede Information aufnehmend! Peter Scholl-Latour - eine Stütze der Demokratie wie ich finde, starb gestern im Alter von 90 Jahren nach längerer Krankheit. Mein tief empfundenes Beileid gilt seinen Angehörigen und Freunden. Mit Peter Scholl-Latour ging einer der letzten Menschen von Bord der die Welt und ihre Menschen wirklich verstanden hatte...

Liebe Grüße

Euer Micha

Quellen:



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